Beispielseite -02
Erinnerungen
Als Kleinkind wurde mir bereits die Musik in die Wiege gelegt und das im
wahrsten Sinne des Wortes. Mein Vater, der eine Blasmusik-kapelle
leitete, brachte es fertig, die Musiker in unser Haus einzuladen, um
Proben abzuhalten. Und wenn die Blasmusiker aktiv waren, da lag ich
nebenan in der Wiege und schlief fest und glücklich, egal, wie laut die
Musik auch war. Mein Vater, der das Musizieren beim Militärdienst
erlernt hatte, spielte Akkordeon, Trompete, Flügelhorn und Zugposaune.
Um an neue Musikstücke heranzukommen, legte er sich ein Radio zu, mit
welchem er abends deutsche Mittelwellensender hörte. Er versuchte
dabei, mit dem Akkordeon die Lieder nachzuspielen und die Texte
entsprechend mitzuschreiben, was allerdings nicht immer gelang, denn die
Qualität war nicht immer befriedigend. Damals hatte man ja noch keine
Möglichkeiten, Tonaufzeichnungen zu machen. Das Radio war ein
Röhrenradio, wofür man noch zwei 6V-Akkumulatoren (für die Heizspannung)
und über 60 (sechzig) 4,5V-Batterien (für die Betriebsspannung)
benötigte.
Im Ort gab es so viele Musikanten, dass
zwei Kapellen entstanden, die sich abwechselnd am Wochenende um
die Tanzveranstaltungen bemühten, und das ging nicht immer ohne Zoff ab,
denn sie standen in Konkurrenz zueinander. Jeder wollte der Bessere
sein. Und das gefiel meiner Mutter überhaupt nicht, so, dass sie dagegen
war, als ich später Musik studieren wollte. Sie wollte es mir ersparen,
ein Leben lang mit anderen Musikern zu streiten. Ich sollte etwas
anderes erlernen und daher kümmerte sie sich auch um meine schulische
Tätigkeit, indem sie jeden Tag die Hausaufgaben kontrollierte. Das
Erste, was nach dem Mittagessen zu machen war, waren die schriftlichen
Hausaufgaben für den nächsten Schultag und daran gewöhnte ich mich. Ich
kann rückschließend behaupten, dass das nicht gerade falsch war. Anfangs
gab es auch noch keinen elektrischen Strom, so dass man eventuell abends
bei Kerzenlicht oder mit der Petroleumlampe schriftliche Hausaufgaben
machen musste.
Nachdem ich im Fach Musik in der Schule eine ganz schlechte Note
bekommen hatte, kam mein Vater auf folgende Idee: Die Kinder müssen
Musikinstrumente spielen lernen. Gesagt, getan und schon wurde mir ein
Akkordeon umgehängt. Das war aber nicht so einfach, denn das Akkordeon –
eine 120-bässige Hohner, Verdi III (drei) - war ja fast größer als ich.
Ja, um seine Ambitionen erfüllt zu sehen, band er mich kurzum mit dem
Riemen an den Stuhl, auf welchem ich saß,
und schon war das muntere
Akkordeonspielen kein Problem mehr. Als meine Mutter das sah, wurde sie
fast ohnmächtig und sie setzte sich lange dafür ein, dass das Erlernen
des Tasteninstrumentes aufgegeben werden musste.
Also wurde ein anderes Instrument gefunden, das nicht so schwer war –
die Trompete. Das ging auch einige Wochen gut, bis ich es dann auch
aufgeben musste. Es blieb aber nicht dabei.
Was mich dazu veranlasste, nach zwei-drei Jahren schließlich aus eigenem
Antrieb wieder die Musikinstrumente in die Hand zu nehmen und fleißig
zu üben, weiß ich heute nicht mehr. Allerdings ging es so weit, dass ich
„Leidensgenossen“ fand, und wir gründeten eine kleine Band. Wir waren
damals alle etwa 14. Die Schule begann Vorbereitungen für eine
Faschingsveranstaltung und wir sollten dabei den musikalischen Teil
übernehmen und nachher auch zum Tanz aufspielen. Die Proben fanden bei
einem Kollegen statt, dessen Vater die Leitung übernahm. Bei den Proben
lief nicht immer alles so wie gewünscht, so dass er oft sagte: „Hört
auf, färbt euch vorne rot und hinten blau, dann sieht alles besser aus!“
Der Tag unseres großen Auftrittes kam und wir bestanden die Feuertaufe…
Es klappte alles ganz gut. Es meckerte auch keiner. Ich kann mich nur an
eine Sache erinnern: Der Aufmarsch der Teilnehmer dauerte 18 Minuten und
ich hatte die Trompete genauso lange an den Lippen. So etwas kann man
nicht vergessen. Das Küssen fiel mir später umso leichter. |